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Vor der CeBIT ist nach der CeBIT

Der digitale Graben ist auch in Hannover erkennbar – Dornröschen lässt grüßen

Was soll man davon halten? Insgesamt kamen laut den offiziellen Angaben „mehr als 210.000 Besucher“ zur CeBIT 2014. „Damit haben wir unser Ziel für die Gesamtbesucherzahl zu 90 Prozent erreicht“, sagt Messechef Oliver Frese. Ein Ziel zu „90 Prozent erreichen“ mit Besucherzahlen, die erneut gesunken sind und die 2012 noch bei 312.000 lagen?

Durchaus, denn die Messe hat nicht nur einen gelungenen Neustart als pureB2B-Veranstaltunghingelegt. Sondern – und das geht in der öffentlichen Diskussion leider oftmals unter – die stark unterschiedlichen öffentlichen Meinungen zu diesen Zahlen verdeutlichen ebenfalls, wie die digitale Spaltung durch Besucher und Aussteller gleichermaßen geht.

Hier hilft zum besseren Verständnis ein Blick in die Messehallen.

Während in Halle 4 die Branchen-Schwergewichte mit Themen wieCloud,In-Memory-Computing,Big DataoderHigh Performance Computingdie Massen magnetisch anzogen und selbst Fachvorträge brechend voll waren (Wann hat es so etwas das letzte Mal in Hannover gegeben?), stöhnten andernorts die On-Premise-Altvorderen über einen Mangel an Leads und Interessenten und hielten Totentanz ab. Das vergebliche Kobern ihrer Vertriebsleute vor den Messeständen sprach Bände.

Keine Frage: Die ideologische Spaltung der Branche ist allein optisch zu erkennen. Und keinesfalls hilfreich ist es dann, wenn man nahezu gebetsmühlenartig und mit galligem Unterton die Untaten der NSA als Beweis dafür ins Feld führt, dass die Cloud und derdeutsche Mittelstandsowieso niemals ein Liebespaar werden – weil es einfach nicht stimmt.

„ObPublic Cloud, private oder hybrid, alle Unternehmen beschäftigen sich damit und das Wachstum wird sich auch 2014 fortsetzen“, bestätigt etwa Lynn Thorenz, Consulting-Director bei den Analysten von IDC. „Die IT-Welt wird vor allem hybrid. Das heißt, wo es möglich und vertretbar ist, wandern Daten und Anwendungen in die Cloud. Der Rest bleibt auf den Unternehmensservern“, so Thorenz weiter. Diese Einschätzung bestätigt auch Thorenz‘ Kollege Axel Oppermann von Avispador. Sein Fazit: „Die Antwort bezüglich der Cloud ist im Jahr 2014 nicht Ja oder Nein.“ Die Frage müsse vielmehr lauten: „Wie, was und wo?“

Entsprechendes gilt für das CeBIT-Thema „Datability“ und dem Interesse anBig Data-Analyse. So generieren die Turbinen allein eines Airbus A380 während nur eines Flugs so viele Daten wie ein mittelgroßes Data Center. Eine Airline wie Emirates (Flotte insgesamt: 215 aktive Flugzeuge, 419 bestellte) mit 45 A 380 oder 92 Boeing 777 ist demnach mit Sicherheit bereits einer der größten Big Data-Produzenten seiner Industrie. Und diese gigantischen Datenmengen sollen sich ohne eine grundsätzliche Reformation der Bestands-IT oder das geschickte Mieten von Dienstleister-Angeboten sammeln geschweige denn sinnvoll auswerten lassen? Wer das glaubt, glaubt auch dass Zitronenfalter Zitronen falten. Dennoch begegneten einem selbst auf der CeBIT durchaus IT-Hersteller, die die nächste Stufe der industriellen Revolution, die „Industrie 4.0“, ohne ein ausgeklügeltes Cloudkonzept erklimmen wollen.

Fachleute wie Carsten Bange, Chef des BI-Beratungshauses BARC wissen, dass in unserer stark ingenieurwissenschaftlich geprägten mittelständischen deutschen Industrie die professionelle Datenanalyse längst eine Pflichtaufgabe sein sollte. „Wir verlieren im Wettbewerb mehr und mehr gegen Asien. Deshalb ist es wichtig, komparative Wettbewerbsvorteile aus Daten zu generieren“, so der Chef des BARC-Analystenhauses.

Und exakt diese Botschaften hat die diesjährige CeBIT kompetent und für ein Fachpublikum (sic!) kompatibel aufgezeigt. Wer das nicht versteht und die CeBIT mit Pauschalkritik meint verunglimpfen zu müssen, der soll lieber seinen fest installierten Dornröschen-Schlaf schlafen. Das Aufwachen kommt dann umso heftiger, ganz sicher.

Gastautor Sven Hansel, IT- und Wirtschaftsjournalist

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