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Digitales Dilemma lösen

Wie kleine und mittlere Unternehmen eine der schwierigsten Phasen der Digitalisierung jetzt erfolgreich bestehen können: Vernetzt Euch!

Borniert, arrogant, überheblich und absonderlich eitel. Mit einer unfassbaren Selbstgefälligkeit gesegnet, macht ein Digital-Consultant momentan (nicht nur) in den sozialen Netzen deutschlandweit massiv von sich reden. Borniert schwafelt der Unsympath in Anglizismen auf seiner Facebook-Seite daher („THINK BIG – ALLES ANDERE BRINGT KEINEN SUCCESS!“, „Ich liebe Features bei Security. Aber mal ehrlich: Das meiste ist doch Deepfake, oder? Höchste Zeit, dass das mal jemand auf den Point bringt!“), gibt unsinnige Tipps („Ich sag immer: Datensilos sind der Pain Point – und ich bin der Pain Professional. Bei mir gibt’s Solutions auf Rezept!“) und verfällt in seinen Videos regelrecht in Größenwahn („Come on: Niemand will bei einem neuen Release mit einem Anfänger am Round Table sitzen! Smart Data braucht smarte Typen“). Einfach widerlich – wenn denn nicht alles einfach nur Fakenews wären.

Denn hinter der Person des „Digital Dirks“ steckt das IT-Unternehmen Triumph Adler, die sich damit selbst ein Denkmal gesetzt haben. Die neueste Kampagne der Nürnberger spielt gekonnt mit den negativen Auswüchsen der Digitalisierung und hält der gesamten Szene den Spiegel vor („Ohne mindestens 30 Admins im Staff hat man doch irgendwie kein ernstzunehmendes Business. Digitalisieren heißt eben klotzen. Nicht kleckern“).

Jetzt: Die schwierigste Phase der Digitalisierung

Wichtig ist aber die Botschaft hinter der Botschaft. Denn der digitale Besserwisser ist nicht ohne Grund ins Leben gerufen wurden. Momentan läuft eine entscheidende – vielleicht die wichtigste – Phase der Digitalisierung. Diejenige der Umsetzung, und die ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmen brandgefährlich. Vielen laufen Gefahr, einem Typen wie Dirk auf den Leim zu gehen.

Dazu ein paar Zahlen: 77 Prozent der deutschen Unternehmen hoffen beispielsweise auf Künstliche Intelligenz (KI) im Kundenservice. Eine andere aktuelle Studie konstatiert gar, dass mehr als 90 Prozent der Unternehmen verschiedener Branchen derzeit planen, in KI zu investieren. Den größten Vorteil (60 Prozent) davon sehen sie in einer gesteigerten Produktivität ihrer Mitarbeiter.

Und diese Ergebnisse gibt es in diesen Tagen zuhauf. Allerorts ist die Erkenntnis gereift, dass sich niemand mehr der gewaltigen Digital-Wucht entziehen kann. Kein Unternehmen zweifelt mehr an, dass es aktiv werden muss, die Phase des „ob“ ist vorbei, es beginnt die Phase des „wie“ – und genau hier kommt wieder der digitale Dirk ins Spiel.

Unternehmen zu zögerlich

Denn gerade kleine und mittlere Unternehmen tun sich weiterhin noch viel zu schwer, die Digitalisierung aktiv anzugehen, wie Capital beispielsweise so passend konstatiert: „Bei der Digitalisierung droht die Vielzahl kleiner und mittlerer Firmen zum Nachteil für die deutsche Volkswirtschaft zu werden. Denn zahlreiche Studien der letzten Jahre legen nahe, dass der deutsche Mittelstand beim Megatrend der Weltwirtschaft besonders langsam agiert. Die Unternehmer mögen die Entwicklungen und ihre Chancen inzwischen erkannt haben, aber noch handeln sie kaum danach, wie eine Vielzahl von Untersuchungen belegt, die Capital gesammelt ausgewertet hat.“

Dieses langsame Agieren basiert offensichtlich auf Unsicherheit. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen mangelt es an Ressourcen, vor allem in technologischer Hinsicht. IT-Personal ist ohnehin knapp, kann sich die besten Jobs rauspicken. Und um digitale Nachwuchskräfte buhlen auch Konzerne mit ihren Möglichkeiten. Es ist alles andere als einfach, und viele Unternehmen sind auf Unterstützung zwingend angewiesen, können bei Weitem nicht alles allein stemmen.

Derart entsteht dann ein Dilemma: Auf der einen Seite Zögern und Zaudern, auf der anderen Seite die Gefahr, dass man sich den digitalen Dirks dieser Welt ans Messer liefert, wen man denn jetzt aktiv wird. Dass man aufs falsche Pferd gesetzt hat. Dass man die Zukunft falsch einschätzt. Dass man die Digitalisierung falsch angeht.

Lösung: rein ins Netzwerk!

Also doch das Kaninchen-vor-der-Schlange-Prinzip? Einfach mal abwarten, es wird schon noch gut gehen.

Nein, nein, und nochmals nein. Dabei ist die Lösung ist so simpel wie naheliegend und heißt: Netzwerken!

Der Mittelstand muss endlich begreifen, dass Gemeinsamkeit stark macht. Das der vermeintliche Wettbewerber um die Ecke ein guter Partner sein kann, wenn es darum geht, die größte ökonomische Herausforderung der Nachkriegsgeschichte zu bestehen, und selbst, wenn es nur eine Partnerschaft auf Zeit ist. Denn Gemeinsamkeit macht deshalb stark, weil man sich Ressourcen teilen kann, weil man zusammen mehr PS auf die Straße bringen kann – und weil man gemeinschaftlich letztlich auch Schwätzer wie den digitalen Dirk einfacher desavouieren kann. Wie so etwas funktionieren kann, zeigt derzeit ein junges Netzwerk der Bauwirtschaft. Dieses richtet sich vor allem an kleine und mittlere Unternehmen und setzt ganz, ganz stark auf den Gemeinschaftsgedanken. Hier tun sich unterschiedlichste Player zusammen, entwickeln gemeinschaftlich Strategien für die Zukunft, profitieren in der Gemeinschaft von dem Netzwerkgedanken.

Deshalb: Raus aus dem Dilemma, rein ins Netzwerk, und zwar schleunigst! Dann holen sich auch die Digital Dirks dieser Welt eine blutige Nase.

Gastautor Sven Hansel, IT- und Wirtschaftsjournalist
Bildquelle: Pixabay

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