Wenn der SEO-Mörder im Unternehmen umgeht.
Auf Webseiten treibt in jüngster Zeit ein Killer sein Unwesen. Sein Name: SEO. Sein eigentliches Ziel: „Suchmaschinenoptimierung oderSEO(von engl. search engine optimization) bezeichnet Maßnahmen, die dazu dienen, dass Webseiten im organischen Suchmaschinenranking in den unbezahlten Suchergebnissen (Natural Listings) auf höheren Plätzen erscheinen.“ Seine tatsächliche Auswirkung: Das Töten jeglicher Textqualität.
Suchmaschinenoptimierung ist kein „heißer Scheiß“, schon lange setzen viele Unternehmen darauf. Sie wissen, dass nur eine frühe Platzierung in den Suchtreffern von Google eine Chance ist, gefunden zu werden. Den Letzten beißen demnach nicht nur die Hunde, sondern er macht auch kein Business. Gerade im Zeitalter der Digitalen Transformation melden sich Kunden und Interessenten in der Regel eben nicht mehr aufgrund einer per Post angeforderten Broschüre – hach, wie romantisch. Man erinnere sich bitte mal an die Zeit, als der neue Quelle-Katalog im Briefkasten lag und anschließend über Monate seinen Dienst verrichtete –, sondern sie kommen über das Web.
Insofern ist SEO richtig und wichtig.
Gänzlich falsch ist jedoch ein Besorgnis erregender Trend: Die Vorherrschaft der „SEO-Technokraten“ in den Unternehmen.
Und das kam so: Neben SEO im Maschinenraum, die der Besucher einer Website oft gar nicht wahrnimmt, gibt es auch SEO-Maßnahmen, die an der Oberfläche stattfinden, also im Text selbst. Wesentliche Merkmale eines stark SEO-„optimierten“ Textes sind beispielsweise, dass ein Substantiv oder gleich mehrere Hauptwörter sehr, sehr häufig vorhanden sind – die vermeintlichen Suchwörter, mit denen der Anwender angeblich unterwegs ist und mit denen er auch die Seite findet. Dazu sind die Sätze im Satzbau sehr kurz. In Zwischenüberschriften wird ebenfalls das Suchwort reingestopft, so oft es eben geht. Ebenso versuchen ganz schlaue Unternehmen auf einen Trendzug aufzuspringen und packen Schlüsselwörter in einen Text rein, der aber nur am Rande mit dem zu tun hat, was sie machen/verkaufen/können. Egal, Hauptsache die Schlüsselwörter und somit letztlich Suchergebnisse stimmen.
Ergebnis dieses „Borderline-SEO“: Der Text ist kaum lesbar, nicht nur wegen des widerlich substantivischen Stils mit x-fachen Wiederholungen. Er ist unglaubwürdig. Er verärgert den Leser. In Journalistenschulen würde man sagen: Der Text ist besch …! Punkt.
Sucht man nach Gründen für diese Unsitte, landet man oft bei einer Machtverschiebung. Immer mehr Organisationen sparen sich professionelle Pressearbeiter, die noch wissen, was gute Texte sind. Oder sie legen Marketing und Presseabteilung zusammen, Stichwort „Marcom“. Oftmals aus einer Art Google-Hysterie getrieben, haben stattdessen in beiden Fällen Marketingverliebte das Sagen, denen Buzzwords näher sind als eine klare Informationsvermittlung. Kennzeichen dieser Manager sind oftmals profunde Technologiekenntnisse und Wissen über Marketingmechanismen.
Jedoch selten journalistisch fundierte Textkenntnis oder ein Gefühl für authentische Kommunikation.
Die Krux:Kommunikation ist vielschichtigund vor allem nicht plump. Zudem hat das Internet eine neue Transparenz zu Tage gebracht mit der Konsequenz, dass der Kunde nicht mehr so einfach hinter das Licht zu führen ist. Und mit Content Marketing hat dieser Technohype nichts zu tun, ganz im Gegenteil. Aus zwei wesentlichen Gründen.
Erstens: Google hat seine Suchalgorithmen längst dieser Plumpheit angepasst und macht dies auch fortlaufend weiter. Ganz einfach deshalb, da sich der Konzern ansonsten bei seinen Anwendern unglaubwürdig machen würde. Sie suchen ja deshalb, weil sie etwas finden und nicht weil sie verwirrt werden wollen.
Zweitens: „Unternehmen, die sich in der Kommunikation insgesamt besser aufgestellt sehen als der Wettbewerb, setzen besonders stark auf Pressearbeit und weniger auf Marketing und Werbung. Sie sprechen der Pressearbeit auch einen höheren Anteil am Unternehmenserfolg zu.“ DiesesStudienergebnissteht stellvertretend für eine ganze Reihe von Untersuchungen. Und selbst ohne wissenschaftlichen Hintergrund sollte der gesunde Menschenverstand ausreichen, um zu verstehen, dass Fake-Infos, die rein ein Ergebnis von SEO sind, keine sind. Mit anderen Worten: Falsches SEO nimmt den Kunden nicht ernst, es ist schlicht ein Betrug an ihm.
Wer also den SEO-Mörder und Textvernichter im Haus hat, sollte ihn schleunigst herauskomplimentieren. Er schadet dem Unternehmen.
„… und der SEO-Mord geht weiter. In der nächsten Folge: Warum es auch gutes SEO gibt und was es auszeichnet.
Gastautor Sven Hansel, IT- und Wirtschaftsjournalist